Tim | 1 okt. 2016
Doctor Strange: Alles über den Sorcerer Supreme
Marvels Cinematic Universe breitet sich aus wie HYDRA in seinen besten Zeiten. Mit Doctor Strange steht bereits der vierzehnte Film in den Startlöchern. Oder um es für Marvel-Fans genauer einzuordnen: Ende Oktober startet das zweite Abenteuer der dritten MCU-Phase. Bei so vielen Kinoabenteuern könnten wir den Artikel mit der Frage nach Ermüdungserscheinungen beginnen, schließlich war kein Genre der letzten Jahre so omnipräsent wie Superhelden-Filme. Machen wir aber nicht, denn für uns ist Doctor Strange aktuell die spannendste Comic-Umsetzung überhaupt! Und nein, das hat nichts mit Hauptdarsteller Benedict Cumberbatch zu tun sondern mit der Tatsache, dass der Film erstmals Magie in Marvels Filmuniversum etabliert. Was in uns die Hoffnung weckt, dass sich Doctor Strange stark von den bisherigen Verfilmungen abhebt – insbesondere visuell.
Aber fangen wir vorne an: Der Sorcerer Supreme, wie Doctor Strange auch genannt wird, betrat erstmals im Jahr 1963 die Comic-Bühne. Mit dem ungewöhnlichen Charakter wollte Marvel sein bestehendes Universum abwechslungsreicher und vielseitiger gestalten. Dafür wurden die Geschichten um den Obersten Zauberer surreal bis psychedelisch inszeniert, was bei den Lesern gut ankam. So wurde die neue Figur im Laufe der Jahre stetig mächtiger und wichtiger (mehr dazu später), trotzdem erlangte der Beschützer der Erde in magischen Angelegenheiten nie die Berühmtheit von Spider-Man, Hulk, Iron Man und Co. Gerade außerhalb der USA ist Doctor Strange nun wirklich nicht jedem ein Begriff – zumindest wenn man mit den Mainstream-Fans der Marke “Joah, die Filme schau ich mir schon mal an” spricht. Höchste Zeit also, den Superhelden genauer unter die Lupe zu nehmen! Im Folgenden stellen wir den Protagonisten Stephen Strange und die wichtigsten Filmcharaktere im Detail vor, gehen auf die Comic-Vorlage ein, diskutieren das Thema Magie im MCU, beschreiben den steinigen Weg des Filmprojekts und analysieren den Shitstorm, den die Verfilmung bereits durchmachen musste.
Wer ist eigentlich Doctor Strange?
Da es sich bei der Verfilmung um eine Origin-Story handelt, beginnen auch wir ganz allgemein. Hauptfigur Stephen Strange ist ein enorm talentierter Chirurg, der allerdings auch viele negative Charaktereigenschaften zur Schau stellt: Er ist selbstfokussiert, wenig umgänglich und vor allem an Geld und Status interessiert – beste Voraussetzungen für einen Helden also. In Stranges Leben läuft alles supi, bis er in einen Autounfall verwickelt wird, der seine Hände (lies: Arbeitswerkzeuge) irreparabel beschädigt. Da Stephen zu stolz ist, um eine Lehrposition oder ähnliches anzunehmen, ist seine bis dato glänzende Karriere de facto beendet. Doch davon lässt sich ein künftiger Superheld nicht kleinkriegen, Aufgeben ist schließlich für Briefe! Und so bereist Strange die halbe Welt, um seine Hände wiederherzustellen. Seine Suche führt ihn in den fernen Osten, wo er auf die Uralte (Ancient One) trifft. Bei ihr handelt es sich um den Obersten Zauberer (Sorcerer Supreme), der die Erde vor magischen Bedrohungen beschützt. Bevor wir weitermachen, ein kurzer Hinweis: Wir sind uns nicht sicher, welche Begriffe Marvel für die deutsche Übersetzung verwenden wird, daher bleiben wir vorsichtig bei den Originalnamen.
The Ancient One nimmt Stephen Strange unter ihre Fittiche und lehrt ihn im Umgang mit Magie. Während seiner Ausbildung stellt Strange fest, dass er magisch noch begabter ist als im OP. Und so spielt sein eigentliches Ziel – die Heilung seiner Hände und die anschließende Rückkehr ins Krankenhaus – nur noch die zweite Geige, stattdessen konzentriert er sich komplett auf die Magie. Eine krasse Wandlung, denn mit seiner Entscheidung macht der Protagonist eine grundlegende Transformation durch: Er wird von einem Mann der Wissenschaft zu einem Mann des Glaubens. Was in der Verfilmung als nächstes passiert, ist derzeit weitgehend unklar. Mit Sicherheit können wir nur sagen, dass Doctor Strange nach seiner Ausbildung als neuer Sorcerer Supreme nach New York zurückkehrt und es mit einem magiebegabten Fiesling zu tun bekommt. Bevor wir aber zu den Charakteren im Film kommen, ein kurzer Hinweis: Stephen Strange wurde im MCU bereits namentlich erwähnt. Während eines Verhörs in Captain America: Winter Soldier bezeichnet ihn die Geheimorganisation HYDRA als potentielle Bedrohung. Daher sind wir unsicher, ob Strange zu diesem Zeitpunkt seine Ausbildung zum Sorcerer Supreme bereits abgeschlossen hat oder nicht, denn typischerweise bauen die Marvel-Filme ja chronologisch aufeinander auf.
Die wichtigsten Charaktere in Doctor Strange
Es ist kein Geheimnis, dass sich die Charaktere in Marvels Cinematic Universe oft krass von der Comic-Vorlage unterscheiden. Da Marvel bislang aber kaum Details zur Verfilmung von Doctor Strange veröffentlicht hat, mischen wir im Folgenden einiges an Comic-Wissen in die Beschreibung. Auf die Vorlage als Ganzes gehen wir im folgenden Abschnitt gesondert ein.
The Ancient One / Die Uralte
Im Film verkörpert Schauspielerin Tilda Swinton den Ancient One, was im Vorfeld für hitzige Diskussionen unter Fans sorgte. Denn in der Vorlage ist die Figur weder weiß noch weiblich, aber konzentrieren wir uns zunächst auf den Charakter – die Vorwürfe des Whitewashings diskutieren wir gesondert. Über die Filminkarnation des Ancient One wissen wir nur, dass sie den Titel Sorcerer Supreme trägt, die Erde vor magischen Bedrohungen schützt und Stephen Strange unterweist. In den Comics wurde sie (wir bleiben dem Verständnis wegen bei der weiblichen Variante) in dem kleinen Dorf Kamar-Taj geboren, das gut versteckt im Himalaya liegt. Zunächst nicht mehr als eine einfache Farmerin, traf sie in ihrer Jugend auf Kaluu, der aus ungenannten Gründen Magie beherrschte. Die beiden taten sich zusammen und studierten gemeinsam Magie, wenn auch mit völlig unterschiedlichen Absichten. Die namenlose Jugendliche suchte ausschließlich nach guten Anwendungsmöglichkeiten, während Kaluu vor allem nach Macht strebte. Doch zunächst standen beide auf der gleichen Seite und rotteten Krankheiten und sogar das Altern in Kamar-Taj aus.
Es hätte so schön sein können … aber mit der Zeit veränderte sich Kaluu und übernahm nach und nach die Kontrolle über das Dorf, indem er die Bewohner mit Magie versklavte. Die Jugendliche versuchte, Kaluu aufzuhalten, wurde aber hinterrücks von ihrem Gefährten paralysiert. Theoretisch war sie damit aus dem Spiel, doch irgendwie gelang es ihr, mystische Kräfte heraufzubeschwören. Dumm nur, dass dabei eine tödliche Seuche entfesselt wurde, die quasi das gesamte Dorf ausrottete. Das einzig Gute an der Sache war, dass Kaluu in eine andere Dimension floh und die Jugendliche damit frei war. Nach dieser Erfahrung machte sie es sich zur Lebensaufgabe, böse Magier zu bekämpfen. Dafür suchte sie den uralten Orden mit dem Titel The Ancient Ones auf, der die Erde vor schwarzer Magie beschützt. Wesentlich begabter als die anderen Mitglieder wurde sie von dem Orden zum Sorcerer Supreme und damit zum obersten Beschützer der Erde ernannt. Zumindest bis irgendwann Doctor Strange auftauchte, der sie beerben sollte. The Ancient One bildete aber auch einen wiederkehrenden Gegenspieler von Stephen Strange aus, namentlich Baron Karl Mordo.
Baron Karl Mordo
Auch Baron Karl Mordo sorgte im Vorfeld für einige Diskussionen, wenn auch deutlich weniger als bei Tilda Swinton. Grund ist diesmal nicht das Geschlecht sondern die Hautfarbe, da Mordo in den Comics meistens (nicht immer!) weiß ist. In der Kino-Variante hingegen wird Mordo vom schwarzen Chiwetel Ejiofor dargestellt – naja, uns stört’s jetzt nicht so. Viel spannender ist die Frage, welche Rolle Baron Karl Mordo zukommen wird. In der Vorlage ist Mordo ein wiederkehrender Bösewicht und der vermutlich größte (menschliche) Gegenspieler von Doctor Strange. Hier haben Mordo und Strange gemeinsam unter The Ancient One trainiert, bevor Mordo sein wahres Gesicht zeigte. Nach allem, was wir bislang vom Film gesehen haben, gehen wir aber davon aus, dass er zumindest anfangs gemeinsam mit Stephen Strange kämpft. Gut möglich, dass er sich im Laufe der Handlung gegen Strange stellt, vielleicht heben sich die Autoren das aber auch für eine eventuelle Fortsetzung auf. Klar ist nur, dass Mordo nicht den Hauptantagonisten mimt, denn der Part ist bereits vergeben …
Kaecilius
Marvel bestätigte mittlerweile, dass Doctor Strange in der Kinoadaption gegen Kaecilius antritt, verkörpert von Mads Mikkelsen. Auf die Rolle sind wir besonders gespannt, da uns Mikkelsen in den vergangenen Jahren so einige spannende Gegenspieler beschert hat, siehe etwa Hannibal Lecter oder auch Le Chiffre aus James Bond: Casino Royale. Kaecilius ist selbst Magier und ein Gegner von The Ancient One. Aller Voraussicht nach setzt Marvel wieder auf eine Art böses Spiegelbild des Helden, ergo dürfte Kaecilius ähnliche Fähigkeiten besitzen wie Stephen Strange; die gleiche Taktik wandte man auch bei Iron Man (Iron Monger), Hulk (Abomination) und Captain America (Winter Soldier) an. Bei der Figurenanalyse können wir uns allerdings nicht auf unser Comic-Wissen verlassen, da es sich um eine gänzlich neue Interpretation des Charakters handelt. In der Vorlage existiert Kaecilius zwar, er ist aber nicht mehr als ein niederer Anhänger von Baron Karl Mordo. Stützen wir uns also auf andere Aussagen: Marvel betont mit Nachdruck, dass Kaecilius nicht der typische Bösewicht ist und lediglich nach bestem Wissen und Gewissen handelt. Er sieht The Ancient One als jemanden, der nur die eigene Machtposition sichern will. Mads Mikkelsen stimmt einen ähnlichen Ton an: “Er glaubt an etwas anderes als der Held. Das heißt nicht im Umkehrschluss, dass er nicht auch die Welt retten will, er hat nur eine andere Herangehensweise. Klar ist er der Antagonist, das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass er im Unrecht ist.” Passend dazu verweisen wir an dieser Stelle auf ein Prequel-Comic, das die Vorgeschichte zum Film erzählt. Hier taucht auch Kaecilius auf, steht allerdings auf der guten Seite. Was da wohl vorgefallen ist?
Wong
Die Figur Wong wird passenderweise von Schauspieler Benedict Wong gespielt. In der Vorlage ist Wong ein Gehilfe von Stephen Strange, eine Mischung aus Sidekick und Diener. Wo wir bei den Comics sind: Wongs Familie stellt seit Generationen den jeweils erstgeborenen Sohn in die Dienste des Ancient One. Der Ancient One wiederum ordnet an, dass Wong Doctor Strange unterstützen soll, etwas Ähnliches erwarten wir für die Filmumsetzung. Allerdings könnte Wong im Film eher auf einer Stufe mit Strange stehen, da Letzterer noch in seinen Anfangstagen als Magier ist. Sei’s drum, was kann Wong eigentlich? Mit seinem gewaltigen Wissen über Magie unterstützt er Strange bei dessen Experimenten, obwohl Wong selbst nicht magisch begabt ist. Darüber hinaus kann er ziemlich gut Verletzte wieder zusammenflicken und als Meister der Martial Arts ist er auch alles andere als wehrlos.
Christine Palmer
Rachel McAdams spielt Christine Palmer, selbst Chirurgin und eine alte Kollegin von Stephen Strange. Glaubt aber nicht, dass sie nur in Stranges Vergangenheit auftaucht! Nach dessen Ausbildung zum Sorcerer Supreme stellt sie einen wichtigen Ankerpunkt dar und hilft ihm dabei, seine Menschlichkeit nicht zu verlieren. In den Comics ist Palmer übrigens als Night Nurse bekannt (es gibt unterschiedliche Charaktere mit diesem Titel) und sollte ursprünglich in der Netflix-Serie Daredevil auftauchen. Als jedoch klar wurde, dass Marvel andere Pläne für die Figur hatte, wird Charlie Cox in der Serie von Claire Temple umsorgt.
Nicodemus West
Nicodemus West wird von Michael Stuhlbarg gespielt, wir sind uns aber extrem unsicher, wie wichtig sein Part im Film ausfällt. In der Vorlage ist West Chirurg und ein großer Bewunderer von Stephen Strange, bevor Letzterer zum Sorcerer Supreme aufsteigt. Am spannendsten ist aber dieser Twist: In den Comics war es West, der versuchte, Stranges Hände nach dessen Autounfall wiederherzustellen. Als klar wurde, dass er mit seiner OP keinen Erfolg hatte, war West am Boden zerstört. Voller Schuldgefühle folgte er seinem ehemaligen Vorbild sogar unbemerkt in den fernen Osten und traf auf den Ancient One – nur wenige Tage, nachdem Strange seine Ausbildung zum Magier beendet hatte. Hier lernte West die Grundlagen der Magie, schloss allerdings nie sein Training ab und kehrte zurück nach New York City, wo er seine neuen Fähigkeiten in der Medizin anwenden wollte – was nicht unbedingt glimpflich ablief. Gut möglich, dass West in einer späteren Fortsetzung eine wichtigere Rolle spielt.
Doctor Strange in den Comics
Wir haben freizügig mit Infos aus den Comics um uns geworfen, um uns ein ungefähres Bild des kommenden Kinoabenteuers zu machen. Trotzdem wollen wir an dieser Stelle einige weitere Comic-Details nennen, die für diesen oder weitere Doctor Strange-Filme spannend sein könnten (im schlimmsten Fall bekommt ihr ein besseres Bild des Franchise). Bleiben wir bei der Origin-Story: In den Comics lehnte es The Ancient One zunächst ab, Stranges Hände zu heilen und bot ihm stattdessen an, ihn als Magier auszubilden. Darauf hatte der nicht gerade gutmütige Strange allerdings keinen Bock und wollte direkt wieder abdampfen, was durch einen Schneesturm verhindert wurde. Strange saß also vorübergehend fest und wurde Zeuge, wie der Schüler Baron Mordo heimlich seinen Meister attackierte – was für The Ancient One keine große Bedrohung darstellte. Danach konfrontierte Strange Mordo wegen seinem hinterhältigen Angriff und wurde im Gegenzug magisch gefesselt. Von dieser Machtdemonstration beeindruckt, ließ sich Strange das Angebot des Ancient One nochmal durch den Kopf gehen. Wie sonst sollte er Mordo aufhalten, der offensichtlich keine guten Absichten hatte? The Ancient One war sehr angetan, dass Strange aus selbstlosen Gründen Magie lernen wollte und nahm ihn als Schüler auf.
In späteren Ausgaben wurde Baron Mordo zum ständigen Gegenspieler von Doctor Strange, ungefähr so wie der Joker immer wieder auf Batman trifft. Für den Film erwarten wir allerdings, dass Mordo die meiste Zeit über auf der Seite von Strange steht, einfach weil Kaecilius den Hauptbösewicht mimt. Wo wir bei den Schurken sind: Es gibt eine weitaus größere Bedrohung als Baron Mordo oder Kaecilius, namentlich Dormammu! Dabei handelt es sich um ein Wesen aus purer Energie, das über die Dark Dimension herrscht. Was muss man über Dormammu wissen? Nun, er ist unendlich mächtig und kann eigentlich gar nicht getötet werden. Wie Strange dann überhaupt gegen ihn anstinken kann? Ganz einfach, je weiter Dormammu von seinem Reich entfernt ist, desto mehr nimmt seine Macht ab. Da wir hier vom größten Gegner von Doctor Strange sprechen, rechnen wir in der kommenden Verfilmung maximal mit einer vagen Andeutung. Für die Zukunft des Marvel Cinematic Universe mit Stephen Strange als Sorcerer Supreme muss Dormammu aber irgendwann eine Rolle spielen.
Genug von den Schurken, kehren wir zurück zu unserem Helden. In den Comics kümmert sich Strange die meiste Zeit um seinen eigenen Kram, bei Bedarf kann er aber auch ein echter Teamplayer sein! So zählt er zu den Gründungsmitgliedern der Defenders, einem Superhelden-Team bestehend aus Außenseitern. Davon werden wir auf der großen Leinwand aber vermutlich nichts mitbekommen, da die Defenders ihre eigene Serie auf Netflix erhalten. Und wie wir alle wissen, trennt Marvel sein Film-Universum relativ stark von den Serien. Ganz ohne Team wird Strange nicht bleiben, wir gehen fest davon aus, dass er sich den Avengers anschließt. In der Vorlage beschränkt sich Doctor Stranges Teamgeist aber nicht nur auf die Defenders, er ist zusätzlich Mitglied der Illuminati! Das ist eine geheime Gruppe, die aus den intelligentesten und mächtigsten Köpfen des Marvel-Universums besteht. Dazu zählen unter anderem Tony Stark, Professor Charles Xavier, Reed Richards, Black Bolt und eben Stephen Strange.
Auch ohne irgendwelche Hilfsmittel kann Doctor Strange sehr gut auf sich aufpassen, aber schon der Heimwerker-King Tim Taylor wusste, dass man eine Sache immer gebrauchen kann: mehr Power! Strange besitzt diverse besondere Artefakte, mit denen er seine Fähigkeiten erweitern beziehungsweise seine Kräfte steigern kann. Der Cloak of Levitation lässt ihn fliegen, mit dem Eye of Agamotto kann er Illusionen durchschauen und der Orb of Agamotto ermöglicht ihm quasi hellseherische Fähigkeiten. All diese Artefakte wurden von Agamotto hinterlassen, dem ersten Sorcerer Supreme überhaupt. Interessanter Fakt am Rande: Der Orb of Agamotto tauchte bereits in Thor auf, genauer in Odins Schatzkammer. Wer so mächtige Artefakte besitzt, muss sie natürlich auch sicher verwahren. Dazu erschuf Stephen Strange das Sanctum Sanctorum, seinem Rückzugsort in Greenwich Village. Dieser Ort ist mit allen Sorten Zaubersprüchen abgesichert und erinnert ein wenig an die TARDIS aus Doctor Who: Innen größer als von außen.
Magie vs Wissenschaft
Eine der grundlegenden Fragen an die Verfilmung von Doctor Strange ist, wie die Macher die Magie erklären. Denn bislang wurde alles scheinbar Übernatürliche aus dem MCU in irgendeiner Form wissenschaftlich erklärt. Im Gegensatz zur Vorlage von Thor bekamen wir in den Filmen keine Götter präsentiert, sondern schlicht mächtige Wesen, deren Macht auf fortschrittlicher außerirdischer Technik basiert (so ungefähr). In Ant-Man hingegen wurde das Quanten-Universum eingeführt, wo Raum und Zeit eine andere Rolle spielen. Bedeutet das, dass die Magie in Doctor Strange mit einer Mischung aus Quantenphysik, String-Theorie und sonstigen kosmischen Hypothesen erklärt wird? Tja, dazu existieren ganz unterschiedliche Ansichten …
Marvel-Chef Kevin Feige sagte auf einem Presseevent zu Captain America: Winter Soldier: “In Harry Potter wird Magie nicht weiter erklärt. Würde man aber einen Wissenschaftler nach Hogwarts schicken, könnte dieser in Ansätzen mit Sicherheit herausfinden, wie das alles funktioniert. Das heißt nicht, dass wir sehr viel Zeit darauf verwenden werden, es wird aber eine Erklärung geben. Das ist wichtig für eine Figur wie Stephen Strange, der sich von einem Mann der Wissenschaft zu einem Mann des Glaubens wandelt. Er ist in beiden Welten zu Hause.” Normalerweise nehmen wir jedes Wort von Feige für voll, seine Aussage über Doctor Strange ist aber doch schon eine ganze Weile her. Und dann das: Auf der diesjährigen Comic-Con meldete sich Regisseur Scott Derrickson in einem Interview zu Wort: “Magie ist Magie. Es ist nichts, das man einfach wissenschaftlich erklären oder auf einfache Art und Weise definieren kann. Genau so sollte Magie auch sein: mysteriös.” Was bedeutet das jetzt für den Film? Wir haben keine Ahnung, vielleicht irgendeine Mischung.
Der lange Weg der Verfilmung
Ein Superhelden-Magier inklusive psychedelischer Inszenierung. Das klingt im ersten Moment abgedreht und ziemlich ungeeignet für ein Mainstream-Publikum. Trotzdem gehen die Pläne für eine Doctor Strange-Verfilmung zurück bis in die 80er Jahre! Über die Zeit ging das Projekt von Studio zu Studio, nicht wenige bekannte Filmemacher wurden damit in Verbindung gebracht. Zu den prominentesten Beispielen zählen Bob Gale (Zurück in die Zukunft) und Wes Craven (Nightmare on Elm Street), allerdings arbeiteten die beiden an getrennten Interpretationen – eigentlich schade! So verbrachte Doctor Strange etliche Jahre in Development Hell, ein Kinoauftritt wurde immer unwahrscheinlicher. Ja, bis Iron Man im Jahr 2008 das MCU startete und Comic-Verfilmungen über Nacht zum angesagtesten Thema seit Piraten machte! Seitdem beschäftigt Marvel eine Vielzahl von Autoren, die auch weniger bekannten Figuren fit fürs Kino machen sollen, beispielsweise Black Panther oder eben Doctor Strange. Dass am Ende Sherlock-Star Benedict Cumberbatch den roten Mantel überstreifen würde, war übrigens keineswegs von langer Hand geplant. Für die Rolle von Stephen Strange kamen im Laufe der Zeit unglaublich viele Schauspieler in die engere Auswahl: Joaquin Phoenix, Keanu Reeves, Jared Leto, Ethan Hawke, Oscar Isaac, Ewan McGregor, Matthew McConaughey, Jake Gyllenhaal, Colin Farrell und Ryan Gosling!
Begeben wir uns hinter die Kamera: Auf dem Regiestuhl nimmt Scott Derrickson Platz, der auf den ersten Blick nach einer ungewöhnlichen Wahl klingt. Schließlich ist Derrickson vor allem für seine Horrorfilme bekannt, darunter Urban Legends, Hellraiser: Inferno und The Exorcism of Emily Rose. Es ist aber nichts Neues, dass Marvel selten auf etablierte Star-Regisseure zurückgreift. Damit will man einerseits einen frischen Blick auf das Comic-Universum gewährleisten und andererseits … ja, nennen wir das Kind beim Namen: Geld sparen. Bislang ging die Taktik auf und auch bei Doctor Strange könnte sich die Wahl als goldrichtig erweisen. Derrickson gilt als ein Regisseur, der viel Wert auf die visuelle Inszenierung legt, was gerade für Doctor Strange enorm wichtig ist. Und überhaupt, Derrickson ist ja nicht alleine! Zu den Autoren zählen unter anderem C. Robert Cargill (Sinister) und Jon Spaihts (Prometheus), viel wichtiger aber dürfte Cinematographer Ben Davis sein. Der inszenierte bereits Filme wie Hannibal Rising, Stardust und Kick-Ass, war aber auch schon an einigen Marvel-Projekten beteiligt, nämlich Guardians of the Galaxy und Avengers: Age of Ultron. Kein Wunder also, dass Marvel für das CGI-lastige Doctor Strange ein bekanntes Gesicht engagiert.
Kontroversen um Whitewashing
Egal wie der Film am Ende wird, den größten Shitstorm hat Marvel vielleicht schon hinter sich. Nach der Vorstellung von Tilda Swinton als The Ancient One flammte eine Fan-Diskussion nach der anderen auf. Wieso nur muss Doctor Strange dieses Whitewashing betreiben, und das so kurz nach dem berühmten Hashtag #OscarsSoWhite? Hätte man nicht einfach einen älteren Asiaten für die Rolle verpflichten und damit der Vorlage treu bleiben können? Nun, die Entscheidung kann auf unterschiedliche Art und Weise begründet werden. Swinton selbst sagte dazu: “Ich unterstütze jeden, der sich für eine realistische Repräsentation unserer vielfältigen Welt ausspricht. Wenn die Leute den Film sehen, wird ihnen diese Vielfalt bewusst werden.” Zudem wurde bereits angedeutet, dass The Ancient One keine typische Frau sei (was immer das heißen mag), sondern eher geschlechtsneutral wirke. Genauso gut könnte es sich schlicht um eine alternative Inkarnation des Ancient One handeln, immerhin … Moment, lassen wir Marvel selbst zu Wort kommen: “Wir sind für unsere Diversität bei Casting-Entscheidungen bekannt. Es ist nicht das erste Mal, dass wir uns von Stereotypen und der eigenen Vorlage entfernen, um das MCU zum Leben zu erwecken. The Ancient One ist zudem ein Titel, der nicht exklusiv einem Charakter zugeordnet werden kann.”
Wir stellen uns in dieser Situation voll hinter Marvel! Wäre da nicht dieses andere Statement von Autor C. Robert Cargill, das uns weniger gefällt. In einem Podcast nannte er einen vielleicht noch wichtigeren Grund dafür, warum The Ancient One kein Tibeter sei. China ist der zweitwichtigste Markt für Disney, nicht nur was Ticketverkäufe betrifft. Hier entstehen unter anderem mehrere Themenparks, in denen auch Marvel-Figuren auftauchen. Gleichzeitig weiß jeder um die politisch angespannte Situation zwischen China und Tibet. Wir können nicht mit Sicherheit sagen, ob das der Hauptgrund für eine weiße Frau als Ancient One ist oder nicht. Klar ist aber, dass man Marvel nicht des Whitewashings beschuldigen kann, denn unterschiedlicher könnte der Cast kaum ausfallen: Protagonist Strange ist Amerikaner, gespielt von einem Briten; The Ancient One hat keltische Wurzeln, Chiwetel Ejiofor hingegen nigerianische; die Eltern von Benedict Wong stammen aus Hong Kong; und Mads Mikkelsen ist aus Dänemark. Eine Leistung, auf die auch Marvel stolz ist: “Einen so multikulturellen Film haben die meisten Zuschauer seit Jahren nicht gesehen.”
Am Ende ist die Diskussion wohl viel Lärm um nichts, wir selbst werden Doctor Strange erst nach Kinostart beurteilen. Und wenn uns Geschichte, Charaktere und Inszenierung in ihren Bann ziehen wie einst Iron Man, werden wir mit Sicherheit nicht weiter darüber nachdenken, ob The Ancient One nun eine Frau sein sollte oder nicht. Wir freuen uns drauf!